Wir alle sind Kinder: „Die Eroberung der Villa Herbstgold“

Da sind sie endlich wieder! Leslie, Önder, Una, Ferdinand, Sara und die kleine Erzählerin. Nach dem phänomenal guten ersten Teil „Waldtage“, in dem die Kita-Kinder eine ganze Woche im Wald verbringen, steht nun ein Besuch im Altenheim „Villa Herbstgold“ an. Altenheim? Das hört sich für die Kinder an wie ein ziemlich langweiliger Ort. Una hat Angst, dort könnten auch Hexen wohnen. Was wird dort wohl auf sie alle zukommen? Als Leslie erzählt, dass auch ihr Opa in der Villa Herbstgold wohnt und ein ziemlich cooles Holzbein hat, freuen sich die Kinder dann doch auf ihren Ausflug. Schließlich wollen sie dort dann für die alten LeuteHänsel und Gretelaufführen. Das ist zumindest der Plan. Als dann der Tag des Ausflugs gekommen ist, kommt es schon zu Beginn direkt zu einer Erkundungstour der ganz besondern Art. Und dann stehen die Kinder endlich auf der Bühne. Das Theaterstück beginnt und endet sowas von anders als erwartet, dass am Ende fast alle vor Lachen auf dem Boden liegen…

Das Buch ist so turbulent wie auch die Vorgängergeschichte. Beim Vorlesen haben mein Sohn und ich uns gefühlt als würden wir gute alte Freunde wiedertreffen. Wir haben uns gefragt, ob Önder wieder Schokoladenkuchen mitbringt oder ob auch durchs Altenheim eine Spinne krabbelt, die Una wieder zu Tode erschreckt? Kleiner Spoiler: Diesmal ist es eine alte Frau, deren Haare wie Hexenhaare aussehen und die ihre Zähne in einem Wasserglas aufbewahrt. Aber auf den zweiten Blick erweist sich die Dame natürlich als wirklich nett und liebevoll.

Dass die Kinder Stück für Stück ihre (Berührungs-)Ängste verlieren, die sie zuvor in der Kita noch hegten, liegt vor allem daran, dass alle Bewohner*innen ganz freundlich und direkt auf all ihre Kinderfragen antworten.

Die Kids finden zum Beispiel heraus, dass eine Bewohnerin tagsüber Windeln braucht. Und das ist vor allem für Una ziemlich cool, denn sie braucht nur nachts welche wie sie direkt kichernd verrät. Aus dem Klavierkasten einer ziemlich schrulligen Bewohnerin dürfen sich die Kinder dann sogar Süßigkeiten aussuchen. Und hier noch ein zweiter kleiner Spoiler: Auch Önders Schokokuchen kommt zur Feier des Tages wieder zum Einsatz.

Im Alter werden viele Menschen wieder zu Kindern. Und das macht sie für die wirklich Kleinen direkt sympathisch. Die Kinder lernen viele ganz unterschiedliche Menschen kennen. Und auch, wenn sie manche von ihnen auf den ersten Blick etwas seltsam finden, nehmen sie sie direkt an, ohne sie aufgrund möglicher Gebrechen oder scheinbar skurriler Gewohnheiten zu verurteilen. Hinter jeder Zimmertür verbirgt sich jemand Neues wie zum Beispiel Yusef, passionierter Angler, der nun Fische und so einiges anderes aus seinem Aquarium angelt.

Die Kinder beschäftigen herrlich simple Fragen, die wir Erwachsenen nie stellen (würden) oder meinen, nicht stellen zu dürfen.

Warum sind alte Menschen eigentlich so runzelig?

Kann es sein, dass sie genauso wie Äpfel mit der Zeit einfach ein bisschen faltiger werden?

Putzt man sein Gebiss eigentlich wenn man es im Mund hat oder besser davor?

Zum Glück haben sich Frau Ach und Frau Oha, die beiden Erzieherinnnen, mit einer Pflegerin verquatscht und die Kinder aus den Augen gelassen. Sonst könnten die Kleinen und auch wir nicht so viel Witziges erleben.

Alle Charaktere in diesem Buch sind vielschichtig und realitätsnah. Stefanie Höfer und Claudia Weikert haben das einfach super drauf! Sie bilden den Kindergartenalltag einfach genau so ab wie er wirklich ist: Chaotisch, wild, bunt, fröhlich, laut, lustig und mit Kindern, die für jedes Abenteuer zu haben sind.

Mein Sohn mochte das Buch „Waldtage“ etwas lieber, obwohl er auch über viele Szenen im zweiten Teil lachen musste. Möglicherweise liegt das aber daran, dass er selbst schon „megacoole“ Waldtage in der Kita erlebt hat, jedoch noch nie ein Altenheim besucht hat.

Schade eigentlich, dass solche Treffen so selten stattfinden. Schließlich haben ganz junge und ganz alte Menschen etwas gemeinsam, nämlich das Kind-Sein und manchmal wieder Kind-Werden. Das passende Nachwort im Buch rührt mich daher sehr: „Für alle Omas und Opas, die das Spielen nicht verlernt haben. Und für die Kinder, die mitspielen.“

Werbung, Rezensionsexemplar

Stefanie Höfer und Claudia Weikert Die Eroberung der Villa Herbstgold ab 4 Jahren, Beltz & Gelberg, erschienen am 9. Februar 2022, 978-3407756312