Mal Fünfe gerade sein lassen: „Eine perfekt verhunzte Geschichte“

„Es war einmal vor langer Zeit…“, so beginnt das Märchen von Luis, der fröhlich trällernd über eine Wiese läuft und sich darüber freut, dass nun eine Geschichte über ihn erzählt wird. Oh, aber Moment mal! Was ist das?! Ein riesiger Marmeladenfleck versperrt ihm den Weg. Zu allem Unglück fällt ihm wenig später auch noch ein dicker Erdnussbutterklecks auf den Kopf. Jemand scheint während des Lesens von Luis` Geschichte seine Spuren zu hinterlassen. Immer wieder muss der Erzähler neu ansetzen, um die Geschichte fortzuführen, jedoch ohne Erfolg. Es kommen schließlich auch noch Fingerabdrücke und Kinder-Krickelkrackel hinzu. Luis tobt vor Wut und scheint völlig zu resignieren…

Da soll einmal die Geschichte über einen selbst erzählt werden und schon kommen so profane Dinge wie Erdnussbutter, Marmelade oder Orangensaft dazwischen! Luis hat im Buch mit ziemlich vielen Störungen zu kämpfen und wird immer wütender bis er sich schließlich direkt empört an den Leser wendet und mehr Respekt für das Buch und seine Geschichte einformiert. Als das nicht geschieht, legt er sich beleidigt auf die Wiese. Um ihn herum wird es ganz „still“, der Hintergrund ist ausgeblendet und als Leser kann man Luis` dabei zuschauen wie es in seinem Kopf brodelt und er versucht, sich abzuregen. Und er schafft es! Am Ende steht er selbst auf dem Buchdeckel Kopf und sieht seine eigene Geschichte im Nachhinein aus einer ganz anderen Perspektive.

Im Mittelpunkt dieses Buches stehen ganz klar die Illustrationen. Sie machen das Buch zu dem, was es ist – nämlich optisch einzigartig. Patrick McDonnell kreiert hier eine außergewöhnliche Verbindung von Märchen und Comic, die ich bisher so noch nicht in einem Bilderbuch gefunden habe. Viele Sprechblasen, die vor allem mit Lautmalereien arbeiten, verleihen der Geschichte ihre Spritzigkeit. Andererseits gestaltet McDonnell die Versuche des Erzählers im Schriftbild wie in einem typischen Märchenbuch mit altertümlich verschnörkelten Anfangsbuchstaben. Auf einer dritten Ebene kommen die realen Kleckse hinzu, die wie Fotos aussehen (oder vielleicht sogar sind?). Sie verleihen dem Buch einen unglaublichen 3D-Effekt.

Das Buch ist ein absoluter Lese-Lach-Genuss. Eltern können schon den 3-Jährigen durch das Vorlesen und Anschauen der Geschichte vermitteln, dass es sicherlich viele Dinge im Leben gibt, die nicht auf Anhieb so funktionieren wie man es sich wünscht. Manchmal dürfen und müssen die Kleinen daher auch einfach mal beleidigt sein und schmollen. Mit Ruhe und Geduld wird man aber auf Dauer weiter kommen. Einfach ab und zu mal Fünfe gerade sein lassen – das lernen die Kleinen in diesem Buch ganz von allein.

Patrick McDonnell Eine perfekt verhunzte Geschichte ab 3 Jahren, Aladin, erschienen am 1. Februar 2017, 978-3-848-90096-1

(Werbung, unbezahlt, Rezensionsexemplar erhalten)