Kennt ihr noch das Gefühl, wenn euch als Kind ein Erwachsener gesagt hat: „Auuuusnahmsweise darfst du heute…“? Ich habe damals die Ohren gespitzt, Kribbeln im Bauch bekommen und wahrscheinlich laut „Jaaa!“ gerufen. Dabei war es mir glaube ich ganz egal, was ich nun ausnahmsweise mal durfte. Es war eben einfach ein „ausnahmsweise“ – und das reichte mir vollkommen.
Bei Florentine ist es ähnlich. Sie freut sich sehr, denn es steht ein Wochenende bei ihrer Patentante Martina und deren Freund Holger vor der Tür. Das Besondere an den Wochenenden bei ihnen ist, dass Florentine dort lauter Sachen machen darf, die sie zu Hause lieber nicht tun soll: Dem Briefträger die Tür öffnen, in die Badewanne hüpfen anstatt nur zu duschen oder so viel Nachtisch essen wie sie möchte. Leider hat alles Schöne und Aufregende mal sein Ende…
Ingrid Sissung bringt in ihrem Bilderbuch authentisch in Erinnerung, was für ein Gefühl man als Kind hatte, wenn man ein „ausnahmsweise“ von den Erwachsenen zu hören bekam. Bei Florentine ist es die Freude daran, auf einem Stuhl für große Leute sitzen zu dürfen und dabei noch ein gemütliches Kirschkernkissen unter dem Po zu haben. Manchmal ist es für sie auch einfach nur das gemeinsame Fußballspiel am Abend, das sie mit Holger schauen darf, obwohl es eigentlich für Kinder schon längst Schlafenszeit ist und sie sich gar nicht für Fußball interessiert. Martina und Holger müssen nicht viel tun, um Florentine ein unvergessliches Wochenende zu bereiten. Gerade diese Kleinigkeiten stellt Ingrid Sissung in ihren sehr warmen und atmosphärisch gestalteten Illustrationen heraus. Es ist außerdem von ihr gut gelöst, dass Florentine im Buch keine Sachen machen darf, die gefährlich oder so abgefahren sind, dass die Gefahr der Nachahmung durch die kleinen Leser besteht.
Die Botschaft der Bilder zusammengefasst: Es geht nicht immer darum, mit seinen (Paten-)Kindern die wildesten Achterbahnen zu besteigen oder ihnen den 6-Personen-Eisbecher zu kaufen – es sind einfach nur Kleinigkeiten, die sie glücklich machen und die wünschenswerterweise jedem Kind täglich zukommen sollten. Geborgenheit und einen „Mini-Nervenkitzel“ kann man ganz einfach erzeugen.
Der Text des Buches soll wahrscheinlich der kindlichen Sprache nachempfunden sein, allerdings wirkt er dadurch häufig sehr gestelzt und holpert an einigen Stellen. Es macht den Eindruck, als wäre diese gewollte Einfachheit Absicht, damit auch ja jedes Kind genau versteht, worum es im Buch geht. Das wäre gar nicht notwendig, da die Bilder schon für sich sprechen. Insgesamt hätte das Bilderbuch sprachlich frecher gestaltet werden können. Dann wäre es möglicherweise auf der Textebene direkt natürlicher.
Text hin oder her! „Ausnahmsweise“ – das bedeutet Vorfreude und Freude an kleinen Dingen, auf die wir uns auch als Erwachsene in hektischen Zeiten einfach mal wieder besinnen sollten.
Ingrid Sissung Ausnahmsweise ab 3 Jahren, Gerstenberg, erschienen am 22. Juni 2015, 9783836958301
(Werbung, unbezahlt, Rezensionsexemplar erhalten)