Freude und auch Freundschaft sind für uns etwas sehr Abstraktes. Wenn man jemanden fragt „Was ist für dich Freude?“, dann könnte man als Antwort möglicherweise Folgendes hören: „Freundschaft ist etwas ganz Besonderes und irgendwie Warmes, eben ein Gefühl von Geborgenheit und Zugehörigkeit wie eine kuschelige Decke im Rücken, die vor Kälte schützt.“ Freude und Freundschaft sind für uns häufig aber irgendwie dann doch nicht so recht verbalisierbar. Und wenn wir über sie sprechen möchten, müssen wir uns (und tun es auch!!) anderer sprachlicher Mittel bedienen. In Bilderbüchern ist das aber nicht immer möglich ohne im Text auf eine metaphorische Ebene auszuweichen. Antje Damm hingegen bedient sich in ihrem Buch unglaublich sensibel einer viel einfacheren Lösung:
Elise ist eine ängstliche Frau. Sie hat vor allen möglichen Dingen Angst, am meisten jedoch davor aus dem Haus zu gehen. Tag für Tag sitzt sie einsam und traurig am Küchentisch ihrer schon ganz grau gewordenen Wohnung. Als eines Tages ein kleiner blauer Papierflieger durchs Fenster segelt, verändert sich Elises Leben schlagartig: Der kleine Emil steht vor der Tür und bringt plötzlich Farbe ins Grau…
Die Geschichte von Emils Besuch bei Elise ließe sich eigentlich auch ohne Text erzählen. Große und kleine Leser erspüren durch die Farbgestaltung sowie die Gestik und Mimik der Figuren schon intuitiv die Stimmung des Buches, das versucht, die sprachlich wenig greifbaren Gefühle in die Bilder zu verlagern. Emil und Elise wirken wie aus Papier ausgeschnittene Puppen, die sich vom Hintergrund abheben und damit scheinbar im Vordergrund der Geschichte stehen. Gegen Ende merkt der Leser aber, dass sich Stimmung und Botschaft des Buches eigentlich subtil im eher verschwommen gestalteten Hintergrund abspielen: Elise und ihre Umgebung sind zu Beginn grau. Sie wirkt tief betrübt und ihre Wangen haben jegliche Farbe verloren. Als Emil schließlich an ihre Tür klopft und ganz selbstverständlich die Wohnung betritt, schleift er eine „Welle“ von Farbe hinter sich her. Elise ist zunächst skeptisch, ob sie den Fremden hereinlassen soll, wird aber immer fröhlicher je mehr Zeit die Beiden an diesem Tag gemeinsam verbringen. Emils kindliche Freude und Unbedarftheit haben ihre Angst vertrieben! Ihre Wohnung erstrahlt auf den letzten Seiten in allen Farben des Regenbogens und auch ihre Wangen sind ein klein wenig gerötet – ein kleiner Anfang für etwas Großes und doch so Einfaches! So führt Antje Damm am Ende der Geschichte behutsam die Figur der Elise mit dem stimmungsvollen Hintergrund zusammen – bei der ursprünglich ängstlichen Frau ist der Knoten geplatzt und macht einem für sie ganz neuen Gefühl Platz.
Gefühle sind einfach schwer zu beschreiben! Man muss sie spüren. In diesem Buch kann man sie sehen! Also lesen!!
Antje Damm Der Besuch ab 4 Jahren, Moritz, erschienen am 18. Januar 2019 in Neuauflage, 978-3895652950
(Werbung, unbezahlt, Buch selbst gekauft)